Die Prozesskosten werden gewöhnlich vom „Verlierer“ übernommen. Allerdings gibt es Ausnahmen. Eine Ausnahme gilt im Arbeitsrecht. Wer hat welche Kosten im Arbeitsrecht zu tragen und was ist beim Berufs-Rechtsschutz einer Rechtsschutzversicherung zu beachten?
350.000 Prozesse vor deutschen Arbeitsgerichten pro Jahr
2011 erledigten die deutschen Arbeitsgerichte über 350.000 arbeitsrechtliche Streitigkeiten (Quelle: Statistisches Bundesamt, Fachserie 10, Reihe 2.8, 11.09.2012). Das entspricht etwa 1.400 Fällen pro Arbeitstag.
Die Prozesskosten werden anhand des Streitwertes ermittelt. Wir nehmen als Beispiel eine Kündigungsschutzklage. Der Streitwert würde von den Arbeitsgerichten mit dem 3-fachen Monatsbruttoeinkommen festgesetzt werden (vgl. Beschluss Landesarbeitsgericht Nürnberg, 01.07.2003 – 6 Ta 85/03). Bei einem Monatsbruttoeinkommen von 3.000 Euro ergibt sich bereits ein Streitwert von 9.000 Euro. Daraus ergäben sich folgende Prozesskosten:
- Prozesskosten nach 1. Instanz = 3.730 Euro
- Prozesskosten nach 2. Instanz = 8.042 Euro (1. und 2. Instanz abgeschlossen)
(Quelle: Die Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen)
Die Prozesskosten sind nur überschlägig berechnet, weil eine exakte Berechnung im Vorhinein unmöglich ist.
Wer zahlt die 3.730 Euro nach der 1. Instanz bzw. die 8.042 Euro nach der 2. Instanz?
Der Verlierer trägt die Kosten … oder doch nicht?
Bevor wir uns anschauen, wer die Prozesskosten trägt, ist es sinnvoll die anfallenden Kosten zu splitten. Das ist im Arbeitsrecht notwendig. Wir vereinfachen unser Beispiel, um das Prinzip besser darzustellen. Wir unterscheiden daher nur folgende Kostenarten:
- Gerichtskosten
- Anwaltskosten eigener Rechtsanwalt
- Anwaltskosten gegnerischer Rechtsanwalt
Normalerweise (Zivilrecht) trägt der Verlierer die Kosten. Im Arbeitsrecht ist das anders.
Im Arbeitsprozess werden in der 1. Instanz die Gerichtskosten vom Verlierer getragen. Die eigenen Anwaltskosten zahlt aber jede Partei selbst und das unabhängig vom Ausgang des Arbeitsprozesses. Dazu heißt es im § 12 a Absatz 1 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG):
§ 12 a Kostentragungspflicht
(1) In Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs besteht kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung (…) auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozeßbevollmächtigten oder Beistands.
Ab dem Berufungsverfahren zahlt der Verlierer auch die gegnerischen Anwaltskosten. Das gilt aber nur für die Kosten, die ab dem Berufungsverfahren anfallen.
Einige Angestellte verzichten auf ihr Recht, weil sie die Kosten scheuen und die Gebühren für ihren Rechtsanwalt selbst tragen müssten.
Rechtsschutzversicherung? Ja, aber …
Die Rechtsschutzversicherung übernimmt sowohl die Gerichtskosten als auch die eigenen Anwaltskosten. Ab dem Berufungsverfahren übernimmt sie auch die gegnerischen Anwaltskosten, wenn der Prozess verloren geht. Sie ist der ideale Kostenschutz. Deshalb ist der Berufs-Rechtsschutz so beliebt und verbreitet.
Des Weiteren handelt es sich bei jedem sechsten gemeldeten Schaden in der Rechtsschutzversicherung um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit. Der Berufs-Rechtsschutz ist eines der am meisten benötigten Bausteine der Rechtsschutzversicherung.
ABER: Ich erhalte immer wieder Anfragen von Kunden, die eine Rechtsschutzversicherung mit Berufs-Rechtsschutz benötigen. Manchmal befindet sich der Kunde in einer Situation, in der er eine Kündigung bereits erhalten hat oder eine arbeitsrechtliche Auseinandersetzung ansteht. Wenn Sie sich in einer solchen Situation VOR Vertragsabschluss befinden, dann wird Ihnen die Rechtsschutzversicherung NICHT helfen. Das hat zwei Gründe:
- Sie benötigen die Rechtsschutzversicherung VOR der arbeitsrechtlichen Streitigkeit (Anmerkung: Das gilt bei nahezu allen Versicherungen. Es sind nur Versicherungsfälle versichert, die nach Versicherungsbeginn eintreten).
- Im Arbeitsrecht gilt eine Wartezeit von etwa 3 Monaten (variiert je nach Tarif und Versicherer). Das bedeutet: Bei einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung innerhalb der Wartezeit leistet die Rechtsschutzversicherung NICHT! (Anmerkung: Der Rechtsschutzversicherer versucht sich mit der Wartezeit zu schützen. Er will damit verhindern, dass Kunden „schnell“ eine Rechtsschutzversicherung abschließen, um sich ihre Kosten einer arbeitsrechtlichen Streitigkeit durch die Berufs-Rechtsschutzversicherung decken zu lassen.)
Fazit
Zusammenfassend können wir sagen, dass
- viele Arbeitsrechtsprozesse in Deutschland geführt werden,
- die Kosten im Arbeitsrecht hoch sein können,
- in der 1. Instanz jede Partei seine eigenen Anwaltskosten und Auslagen unabhängig vom Ausgang des Prozesses zahlt,
- die Rechtsschutzversicherung mit dem Baustein Berufs-Rechtsschutz einen idealen Kostenschutz bietet und
- bei der Rechtsschutzversicherung darauf geachtet werden muss, dass die Versicherung rechtzeitig, insbesondere wegen der Wartezeit, abgeschlossen werden sollte.
Bei der Betrachtung sollte auch ein Hinweis erscheinen, dass bei einer nicht bestehenden Gewerkschaftsmitgliedschaft in der Regel keine tariflichen Ansprüche eingeklagt werden können und das die Gewerkschaftsmitgliedschaft mit drei monatiger Wartezeit vor sämtlichen anfallenden Kosten schützt, bis hin zum Bundesarbeitsgericht!
Vielen Dank für den wichtigen Hinweis.
Das ist bei einigen Gewerkschaften richtig. Diese Gewerkschaften entlasten ihre Mitglieder bei arbeitsrechtlichen Streitigkeiten.
Das trifft leider nicht auf alle Gewerkschaften zu. Bei einigen werden die Kosten nur begrenzt oder unter bestimmten Voraussetzungen übernommen. Hier muss leider jedes Gewerkschaftsmitglied den Leistungsumfang seiner Gewerkschaft prüfen bzw. prüfen lassen.
Falls hier Jemand Unterstützung benötigt, dann einfach kurz eine E-Mail schreiben.