Am 7.11.2013 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH, Az.: C 442/12), dass der Kunde einer Rechtsschutzversicherung sich seinen Rechtsanwalt frei auswählen kann. Der Rechtsschutzversicherer kann ihm das nicht verwehren.
Was bedeutet „Freie Anwaltswahl“?
Bei der Rechtsschutzversicherung gilt die „Freie Anwaltswahl“, d. h. der Versicherte darf sich seinen Rechtsanwalt, von dem er vertreten werden möchte, frei wählen.
Das wurde am 7.11.2013 vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) bestätigt (Az.: C 442/12). Im Ausgangsfall war der Angestellte Herr Sneller aus den Niederlanden bei der DAS Rechtsschutzversicherung versichert. Der Rechtsschutzversicherer verweigerte die Kostenübernahme der Rechtsberatungskosten mit der Begründung, dass der Fall von einem Mitarbeiter der DAS hätte bearbeitet werden können. Nach dem EuGH widerspricht es Art. 4 Abs. 1 der Rechtsschutzversicherungsrichtlinien 87/344, dass eine Angelegenheit einem externen Rechtsanwalt erst übertragen werden kann, wenn der Rechtsschutzversicherer der Ansicht ist, dass das notwendig ist.
Der EuGH bekräftigt damit seine bisherige Rechtsprechung (vgl. Urteile Eschig C-199/08 und Stark C-293/10). Das Urteil zum Grundsatz der „Freien Anwaltswahl“ ist für alle Rechtsschutzversicherungen in den EU-Mitgliedsstaaten verbindlich.
Was sind „Vertragsanwälte“?
Die meisten Rechtsschutzversicherer bieten ihren Kunden im Rechtsfall Zugang zu einem Pool von Rechtsanwälten, einem sogenanntes Anwaltsnetzwerk. Ein Rechtsanwalt, der einem Anwaltsnetzwerk beigetreten ist, wird „Vertragsanwalt“ oder auch „Partneranwalt“ genannt. Er hat einen Vertrag mit dem Rechtsschutzversicherer. Aufgrund der Kooperation gewinnt der Rechtsanwalt auf der einen Seite Mandanten und auf der anderen Seite erhält er ein geringeres Honorar (= geringere Kosten für den Rechtsschutzversicherer).
„Freie Anwaltswahl“ vs. „Vertragsanwalt“
Nach der Forsa Studie „Ängste und Erwartungen von Verbrauchern bei rechtlichen Auseinandersetzungen“ wären über die Hälfte (55 %) der Befragten bei einem rechtlichen Problem überfordert und wünschen sich Orientierungshilfe bei einem anstehenden Rechtsstreit. Das spricht für die Anwaltsnetzwerke der Rechtsschutzversicherer, weil sie im Rechtsfall dem Kunden Rechtsanwälte empfehlen und Orientierungshilfe geben können.
Des Weiteren bieten einige Rechtsschutzversicherer Vergünstigungen an, z. B. eine geringere Selbstbeteiligung, wenn der Versicherte einen Vertragsanwalt wählt. Hierzu hatte der Bundesgerichtshof (BGH) am 7.11.2013 entschieden (Az.: IV ZR 215/12), dass ein Rechtsschutzversicherer seinen Kunden finanzielle Anreize anbieten kann, wenn dieser einen vorgeschlagenen Vertragsanwalt des Versicherers wählt. Die „Freie Anwaltswahl“ sei dadurch ungefährdet.
Auf der anderen Seite könnte ein Kunde einem Vertragsanwalt bzw. dem Konstrukt Anwaltsnetzwerk misstrauen, weil der Rechtsanwalt einen Vertrag mit dem Rechtsschutzversicherer hat und ein geringeres Honorar erhält. „Berät und vertritt mich ein Anwalt mit einer geringeren Vergütung genauso ausführlich wie ein Rechtsanwalt der „normal“ bezahlt wird?“ ist eine Frage, die sich der eine oder andere stellen könnte. Bei der Studie „Trends für Rechtsschutzversicherungen“ des Kölner Marktforschungs- und Beratungsinstituts YouGov gaben 45 Prozent der Privatkunden an, dass die „Freie Anwaltswahl“ wichtig bei der Rechtsschutzversicherung sei. 40 Prozent würden für diese Leistung sogar einen höheren Beitrag zahlen.
Abschließend können wir sagen, dass sowohl die Freie Anwaltswahl als auch Vertragsanwälte ihre Vor- und Nachteile haben. Es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass der Kunden wählen kann, ob er die Freie Anwaltswahl nutzt oder auf Vertragsanwälte der Rechtsschutzversicherer zurückgreift. Er kann dadurch in seinem individuellen Fall entscheiden, welche Variante er für richtig hält.
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